Glossar

Was wir nicht benennen können, wird leicht übersehen und selten wertgeschätzt.  Umgekehrt hilft unser Wording, unsere Vision vom ‚Guten Leben für alle‘ und die Praxis des ZukunftsDorf22 besser zu begreifen.

14 Begriffe für 14 Wochen … 

Dorforganismus - Doing the blob 

Er ist quasi unsterblich, kann komplexe Probleme lösen, zeigt erstaunliche Lern- und Kommunikationsfähigkeiten und glänzt bei effizienter Netzbildung. Die Rede ist von dem Blob, der eigentlich – Physarum Polycephalum –  heißt. Ein einzelliger gelber Superorganismus ohne Gehirn, der in Labyrinthen stets den kürzesten Weg findet und der Informationen in den Verbindungslinien seines Netzwerkes speichert.

Das ZukunftsDorf22 hat sich vom Blob inspirieren lassen und agiert selbst als Organismus. Die verschiedenen Initiativen und Menschen im Dorf bilden ein Netzwerk und  teilen ihr Erfahrungswissen. In Prozessen gemeinschaftlichen Handelns, Erzeugens und Nutzens wird die Möglichkeit eines ‚Guten Lebens für alle‘ in einem offenen Experimentierraum erlebbar.  

In Koproduktion mit allen Beteiligten findet eine praktische Auseinandersetzung damit statt, wie die krisenhafte Bereiche Ökologie, soziale Gerechtigkeit und Ökonomie unter Berücksichtigung der planetaren Grenzen, transformiert werden können.

Selbstorganisation unter Gleichrangigen

Für einen kreativen, sozialen Organismus wie das ZukunftsDorf22, gibt es keine bestimmte Form oder zwingende Entwicklung. Was es aber gibt, ist eine stabilisierende „Peer Governance“- Selbstorganisation unter Gleichrangigen. Dazu gehört das Herausbilden von gemeinsamen Kriterien wie: Kernideen, ethische Standards und praktische Aspekte. In einzelnen Verantwortungskreisen wie Dorfrat, Bau, Ernährung, Begrünung, Awareness … werden anhand der zuvor entwickelten gemeinsamen Kriterien Entscheidungen getroffen, an denen nicht alle beteiligt sein müssen. Entscheidungen die alle etwas angehen, werden in regelmäßigen Zusammenkünften (Plenum) getroffen. Wenn es die Situation erfordert, auch mit Hilfe des ‚systemischen Konsensierens‘, eine Art der Entscheidungsfindung, die den Vorschlag, der den geringsten Widerstand hervorruft, herausfiltert. Sich auf gemeinsame Umgangs- und Entscheidungskriterien zu einigen, erfordert eine Kultur des Vertrauens und fördert sie zugleich.

ZukunftsDorf22 Werte

Zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen benötigen wir einen grundlegenden Wandel unseres Kulturmodells. Dafür brauchen wir eine klare Wertebasis. Sie hilft uns die richtigen Wege einzuschlagen und darauf zu bleiben. Unsere ZukunftsDorf-Werte finden wir in den 3 ethischen Prinzipien der Permakultur wieder, die eine dauerhafte Entfaltung von Mensch und Natur ermöglichen.

Earth Care – Sorge für die Erde 

Dieses Prinzip betont, dass die Erde als Ganzes mit allem Leben auf ihr wertvoll ist. Es fordert uns auf, Lebensmöglichkeiten für alle Lebewesen zu erhalten, unabhängig davon, ob wir Menschen einen Nutzen aus ihrem Dasein ziehen. Das heißt zum Beispiel, dass wir für lebendigen Boden sorgen, als Grundlage allen Lebens auf der Erde. Es fragt auch danach, wer die Kontrolle über Land hat, und fordert, dass die Bewohner*innen des jeweiligen Ortes sich darum kümmern.

People Care – Sorge für die Menschen 

Menschen brauchen Rahmenbedingungen, in denen sie gesund und genährt, ihre Selbständigkeit und Eigenständigkeit entwickeln, um zum Großen und Ganzen beitragen zu können. Dieses Prinzip stellt die Frage, welche Bedürfnisse wir Menschen haben und welche Wege es gibt, auf eine solidarische und respektvolle Weise für diese Bedürfnisse zu sorgen. Dabei erkennt es an, dass wir Menschen soziale Wesen sind und neben materiellen auch soziale Grundbedürfnisse haben.

Begrenze Konsum und Wachstum, verteile Überschüsse 

Wenn wir in Kontakt sind mit dem Werden und Vergehen im jahreszeitlichen Rhythmus der Natur, so ermöglicht uns dies einerseits eine Erfahrung von Fülle und andererseits die von Grenzen. Wir alle haben eine begrenzte Lebensspanne und leben auf einem begrenzten Raum, der Erde. Daran wird deutlich, dass unbegrenztes Wachstum unmöglich ist. Dieses Prinzip fordert uns auf, die Frage zu stellen, was genug ist. Es ermutigt uns, widerständig zu werden gegenüber den uns allen innewohnenden Gewohnheiten und Bequemlichkeiten des globalisierten Konsumismus. Stattdessen können wir andere Formen des Wirtschaftens gestalten und erproben. Darüber hinaus lädt dieser Leitsatz uns ein, aus der Erfahrung der Fülle heraus, Überschüsse an Mensch und Natur zu verteilen.

Awareness

Der Begriff “Awareness” kommt aus dem Englischen „to be aware“ und bedeutet (im weiteren Sinne) „sich bewusst sein, sich informieren, für gewisse Problematiken sensibilisiert sein“. Gemeint ist ganz allgemein ein achtsamer und respektvoller Umgang miteinander. Awareness ist eine Praxis, die sich gegen jede Form von Diskriminierung, Gewalt und Grenzverletzungen stellt.

Es geht darum, sich gegenseitig zu unterstützen und einen Raum zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen können und keinerlei Übergriffe oder diskriminierendes Verhalten geduldet werden. Betroffene werden im Sinne des Empowerments gestärkt und aktiv darin unterstützt, eigene Handlungsstrategien im Umgang mit Diskriminierung zu entwickeln. Dabei werden Grenzüberschreitungen individuell von den Betroffenen definiert. Welche Vorfälle dazu führen, dass sich Menschen angegriffen, missachtet, diskriminiert, verletzt, herabgewürdigt oder überfordert fühlen, wird nicht in Frage gestellt.

Ubuntu ... vom ich zum wir

Jeder Mensch der geboren wird, wird  in ein Wir hineingeboren. In der Bewältigung unseres Alltags ist unsere Perspektive jedoch zumeist höchst individualistisch. Alles alleine bewerkstelligen zu wollen oder zu müssen, kann nicht nur überfordernd sein, sondern verhindert die Entfaltung unserer Potentiale. Denn die Wurzeln unserer Talente, Ambitionen und unserer Identität kreieren sich erst in Beziehungen und Gemeinschaften.  Und umgekehrt kann ein Wir nur dann entstehen, wenn Menschen sich aufeinander beziehen. Ich und Wir brauchen einander. Beziehungen werden dann selbst zur treibenden Kraft für Veränderungen, weil aktives Handeln uns leichter aus Beziehungen heraus gelingt. In mehreren Sprachen der Bantu aus Südafrika gibt es hierfür den Begriff des Ubuntu, was soviel heißt wie ‚Ich bin, weil wir sind, und weil wir sind, deshalb bin ich.‘ Ubuntu ist eine Handlungsweise, unser individuelles mit dem kollektiven Wohlergehen in Einklang zu bringen.

Protest

Wer protestiert, will nicht recht haben, sondern Schlimmeres verhindern. Zur Frage des „Wohin?“, gehört aus unserer Sicht auch immer ein „Woher?“. Wer nicht kritisiert und ausspricht, wenn es ein Problem gibt, kann dieses auch nicht lösen. Ohne die Benennung von Problemen können wir für diese keine Lösungen oder Alternativen finden.

Im ZukunftsDorf22 wollen wir ausprobieren, wo es hingehen könnte. Und damit wir wissen, wo die Baustellen sind, an denen es zu arbeiten gilt, braucht es diejenigen, die Protestieren. Aussprechen was  verkehrt läuft – und nicht automatisch einen Lösungsvorschlag anbieten müssen, der am Ende noch vom Problem ablenkt. Wir brauchen Menschen wie Greta Thunberg, die sagt, dass wir nicht hoffen sollen. Sondern in Panik verfallen. Um schleichende Katastrophen zu erkennen, brauchen wir diejenigen, die Stopp sagen zu falschen Grundannahmen unseres Kulturmodells. Und uns auffordern, daraus resultierende Gewohnheiten und Lebensstile sein zu lassen. Protestbewegungen wie zum Beispiel Fridays for Future und ein Ort der praktischen Utopie wie das ZukunftsDorf22 ergänzen sich.

Sich in Vielfalt gemeinsam ausrichten

Um die Vision vom ‚Guten Leben für alle‘ zu entfalten, brauchen wir den Respekt für die Individualität aller Beteiligten, die daraus eine Ethik des Gemeinsamen entwickeln können. Eine Gemeinschaft bedarf, ebenso wie ein Ökosystem, einer notwendigen Vielfalt, um widerstandsfähig, kreativ und lebendig zu sein. Im ZukunftsDorf22 heißen wir aus diesem Grund unterschiedliche Personengruppen, ihre Perspektiven, Erfahrungen und Motivationen willkommen, um in commoning*  Prozessen nach und nach in Vielfalt zu einer gemeinsamen Ausrichtung zu kommen.

Commoning

ist ein offener Prozess, in dem Menschen sich bewusst unter Gleichrangigen selbst organisieren und zugleich Formen entwickeln, selbstbestimmt Nützliches und Sinnvolles für sich und andere zu schaffen oder bereitzustellen. Dabei passen sie sich an die jeweilige Situation vor Ort an und entscheiden eigenständig und unter gegenseitiger Rücksichtnahme auf ihre Bedürfnisse, was getan wird.

Ohne Zwänge Beitragen

Unsere Potentiale, etwas zu teilen, weiterzugeben oder gemeinsam zu nutzen, werden gestärkt, wenn wir ohne Zwang geben dürfen. Das Prinzip von ‚Leistung und Gegenleistung‘ oder ‚liefern müssen‘, wird geschwächt, wenn wir einfach etwas machen, um etwas zu lernen, um Teil einer Gemeinschaft zu sein, um neue Fähigkeiten auszuprobieren oder einfach die schöne Erfahrung zu machen, zur Verbesserung einer Situation beizutragen. An anderer Stelle kann es dann passieren, selbst irgendwie, irgendwo etwas zurückzubekommen – wie in einem unsichtbaren zirkulierenden Kreislauf.

Das ZukunftsDorf22 basiert auf der Praxis des freiwilligen Beitragens. Alle sind herzlich eingeladen, sich einzubringen: Sei es mit eigenen Fähigkeiten, Talenten oder Ressourcen jeglicher Art, die im Dorf gebraucht werden oder erwünscht sind.

ZukunftsDorfXX

Wenn nach 100 Tagen unser Standort wieder abgebaut wird, haben wir möglicherweise genügend Ideen, wie wir als ZukunftsDorfXX weiter machen wollen. Was brauchen wir für ein dauerhaftes lokales Transformationsnetzwerk? Wer oder was in der Stadt würde uns helfen, unsere Arbeit zu erleichtern und wirksamer zu werden? Wer kann uns dabei unterstützen? Welche Infrastruktur beschleunigt die Ausweitung unseres Transformationsnetzwerks?

Schon während der 100 Tage Dorfleben werden wir genug Praxis darin sammeln, was uns gut miteinander gelingt und wie viel Inspiration und Reichtum an Möglichkeiten sich durch unsere Vielfalt und unser gemeinsames Schaffen ergibt.

ZukunftsDorf22 Bedürfnisse

Wenn wir Verantwortung für unsere Handlungen übernehmen wollen, ist es wichtig in Begriffen von Bedürfnissen zu denken. Alles was wir tun, tun wir um uns Bedürfnisse zu erfüllen. Leider haben viele Menschen nicht gelernt, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und klar zu formulieren, was sie brauchen, und sich dabei bewusst zu sein, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse niemals dauerhaft auf Kosten anderer erfüllen können.

Die Wahrscheinlichkeit, einen Weg zur Erfüllung unserer Bedürfnisse zu finden, steigt dramatisch, wenn wir beginnen, über das zu sprechen was wir brauchen, und wir zugleich deutlich machen, dass uns die Bedürfniserfüllung der anderen Menschen auch am Herzen liegt.

Einige der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse, die wir alle haben, sind: Selbstbestimmung, Nahrung für den Körper, Feiern, Integrität, Kontakt mit anderen, Spielen, spirituelle Verbundenheit … . Bedürfnisse artikulieren zu lernen, verändert die Wahrnehmung darüber was für ein erfüllendes Leben wirklich von Bedeutung ist. Es ist ein spannendes Erprobungsfeld, dem wir im ZukunftsDorf22 gerne Raum geben.

Schon während der 100 Tage Dorfleben werden wir genug Praxis darin sammeln, was uns gut miteinander gelingt und wie viel Inspiration und Reichtum an Möglichkeiten sich durch unsere Vielfalt und unser gemeinsames Schaffen ergibt.

ZukunftsDorf22 Wohnzimmer

Unser Dorf-Wohnzimmer ist das Lumbung und Nongkrong Zentrum des Dorfes. Hier sind alle willkommen. Es wird zusammen gekocht und gegessen, was das Dorf selbst an Gemüse anbaut oder geschenkt bekommt. Man kann hier in Büchern und Zeitschriften schmökern, bei Kaffee und Tee ins Gespräch kommen oder einfach nur entspannen und abhängen. Die Gib-und-nimm-Ecke ist unser kleines Exempel für tauschlogikfreies Wirtschaften: Bring, was du gerne geben möchtest und nimm mit, was du möchtest.

Naturverbundensein vertiefen

Unsere Verbindung zu Natur ist existenziell. Dazu gehört, dass unser Dasein von intakten Ökosystemen abhängt und wir selbst Teil dieser sensiblen Ökosysteme sind. Wenn wir raus gehen, uns in aktive und wahrnehmende Beziehungen zu Pflanzen, Tieren und zu allem was uns trägt und uns umgibt setzen, werden wir das Wohltuende, Schöpferische und Beschützenswerte der Natur erfassen. Hingegen werden wir deren Zerstörung als einen belastenden Verlust empfinden.

Aus Erfahrungen tiefer Naturverbundenheit (auf Augenhöhe von- und miteinander leben), stoßen wir auf drängende Entscheidungen darüber, welche Flächen wir nutzen oder besser in Ruhe lassen. Oder wie wir Flächen nutzen und wer sie nutzen darf. Gebiete dieser Erde, in denen noch 80 % aller Arten leben, werden von indigenen Gemeinschaften auf (für-) sorgende Art bewirtschaftet. Bis zur gewaltsamen Zerstörung der Commons (England) bzw. Allmenden (Deutschland) im 16. und 17. Jahrhundert, wurde auch hierzulande miteinander in Verantwortlichkeitsbeziehungen mit der Natur gelebt. In vielen Nischen unserer Gesellschaft ist es heute immer noch und wieder so. Wie kann die Praxis des fürsorglichen Pflegnutzens im globalen Norden wieder allen zugänglich gemacht werden? 

Wabi-Sabi

bezeichnet eine japanische Ästhetik des Unperfekten und Vergänglichen, in der es um die Entdeckung der Schönheit in der Unvollkommenheit und die Akzeptanz des Kreislaufs von Leben und Tod geht. Widmen wir uns Beidem, können wir zu einer erfüllenden und doch genügsamen Existenz gelangen. Wie im echten Leben wird es auch im ZukunftsDorf22 unvollkommen und unbeständig zugehen. Wir werden uns dieser Wirklichkeit mit der gebotenen Achtsamkeit und Wertschätzung zuwenden, indem wir Fehlerfreundlicher agieren, in Krisen Wendepunkte entdecken oder Scheitern (am besten gemeinsam) hinnehmen lernen.

Bei der Vielfalt der Begriffe dauert das Durchschneiden schon mal etwas länger. Letztlich sind alle Symbolbegriffe überwunden.